Ein Denkanstoss vom Leiter der VCH-Akademie Wolfgang Teichert.

Singen gehört zu allen Religionen. »Singt dem Herrn ein neues Lied, denn Wunderbares hat er getan!«. Auch hier gehen Stimme und Stimmung bereits zusammen. Ich singe, weil wunderbar ist, was ich sehe und höre, selbst in Coronatagen. Die Mainatur jedenfalls übernimmt den wunderbaren Part.

Und jeder kennt diese plötzliche Entlastung und Erleichterung, wenn man zu singen beginnt, ob man nun singen kann oder meint, man könne es nicht. . „Verwandlung von Herzeleid in Herzensfreude“ nennt die Traumaärztin Luise Reddemann diesen Übergang von einer schlechten Stimmung zur Aufhellung des Gemüts. Wer singt, befindet sich sozusagen vor Sprechen und Sprache: Wovon man nicht gleich argumentieren kann, soll man bei besserer Gelegenheit singen – könnte man sagen. Oder: Wes das Herz voll ist, dem geht der Mund über. Stotterer verstehen das am besten.

Dass uns „etwas zu Herzen geht“ und dass „etwas vom Herzen kommt“, dass uns etwas „am Herzen liegt und uns nicht aus dem Sinn geht“, dies emotionale Herz will gepflegt sein. Wodurch? Durch Tönen, Summen und Sinngen

Und wer die Bibel zum Klingen bringen will, erfährt, dass sie immer schon klingt. Ohne Klang, so einfach als daliegendes Buch, wäre sie „ein Mausoleum der Religion“ (Schleiermacher). Sie klingt erst, wenn wir ihr Töne geben, weil sie selber tönend ist. Infolgedessen ist Glaube wahrscheinlich nichts anderes als ein Vorgang des „Durchstimmtwerdens“ von dem, was die biblischen Klänge „angestimmt“ haben. Darum haben Glaube und Religion etwas mit Stimme, Gestimmtheit, mit Stimmung und mit Stimmigkeit zu tun. Die Stimme also (ach die Sprech-Stimme) macht nämlich Stimmung. Während Worte fein säuberlich gewählt werden können, lässt sich die Stimme nicht so schnell überlisten. Stress, Verunsicherung oder Lampenfieber drücken sich in der Stimme aus. Wer singt, beginnt sich umzustimmen. Er bringe sich mit der lockeren Schwingung des Gesanges selbst in Schwung. Unsere Stimme ist wie eine klingende Brücke zwischen der Innen- und der Außenwelt. Mit „Kantate“ und Singen haben wir uns eine Sprache geschaffen, die parallel zu unserer gesprochenen Sprache erklingt. Sie ist wahrscheinlich die ältere. Außerdem kennt Gesang kaum Sprachgrenzen. Sogar wortloses Tönen, die Vokalise also, kann als Sprache der Gefühle von allen angestimmt und verstanden werden. International.